Dienstag, 10. November 2009

Ein Tag allein mit Rolli unterwegs

Tja, am Montag habe ich einen überraschenden Anruf meiner Freundin und ehemaligen Kollegin bekommen. Sie fragte, ob ich ihr wohl die Wartezeit versüßen könne, bis ihr Verlobter Feierabend hat. Sie hatte dabei wohlweislich nicht vergessen, dass ich derzeit im Rolli sitze. Nach einigem Bitten habe ich dann zugesagt, obwohl ich weder darin trainiert bin, mit dem Rolli durch die Gegend zu fahren, noch alleine herunter komme. Ich wohne im ersten Stock in einem Haus ohne Aufzug, da bin ich auf meine Mitbewohnerin angewiesen, die seltsamerweise doch recht pflegeleichter geworden ist, seitdem ich im Rolli sitze. Naja, ist ja auch nicht für immer, worüber ich sehr glücklich bin.
Der Tag war ganz nett und interessant; aber auch sehr, sehr anstrengend.
Erstmal fiel mir auf, dass ich nur genau einen Weg nehmen konnte, der andere war mir, bedingt durch die schlechte Wegbeschaffung und des unmöglichen Zustandes des Bahnüberganges und des anschließenden Weges musste ich zur Hauptstrasse.
Zu Fuß brauche ich normalerweise 5 - 7 Minuten, dieses Mal doch tatsächlich eine Viertelstunde! Und was musste ich feststellen, als ich ankam? Es gab nirgendwo eine Niedersenkung im Bordstein!! Wirklich unverschämt.
So war ich also darauf angewiesen, dass mti entweder jemand half oder der Busfahrer mich nicht übersah, was er glücklicherweise nicht tat und mir sogar hilfsbereit in den Bus half.
Am Bahnhof angekommen brach Chaos aus: Die einen wollten raus die anderen rein; nur: Alle zur gleichen Zeit. Wie jeder weiß, sowas kann nicht gut gehen. Glücklicherweise hatte ich auch da wieder jemand, der mir half. es war eine junge Frau, die sich freiwillig gemeldet hatte, da der Bus sich nicht niedergesenkt und der Busfahrer die Rampe nicht ausgeklappt hatte. Joa gerade angekommen, wurden herzliche Begrüßungen und nette Komplimente über die Rolli des anderen ausgetauscht :D
Es war schön, sie wiederzusehen, vor allem, weil ich Michaela sehr, sehr schätze. Sie ist ein so liebes Mädchen und dabei schon so erwachsen.
Wir haben uns köstlich amüsiert, bissl über die Männerwelt hergezogen und einen Döner gegessen. Das war vielleicht auch eine Aktion, in den Dönerladen überhaupt reinzukommen ...
Mit meinen Vorderrädern kam ich dank kippeln rein, aber mit den Hinterrädern nicht mehr, sodass meine Freundin mich von hinten angeschoben hatte!
Danach sind wir wieder raus und ich war so geschafft mittlerweile, dass wir eine Karawane gebildet haben. Ich habe mich hinten festgehalten und sie hat gezogen :D Wahnsinn, an diesem Tag haben wir alle Aufmerksamkeit gehabt und es war sooooo lustig!
Im Bahnhof haben sie uns auch angeguckt, als seien wir Geister oder so, weil wir lachen konnten. Ich meine, okay ich saß im Rolli und Aussenstehende wissen natürlich nicht, dass du da normalweise nicht drin sitzt, aber dennoch, es war eine sehr prägende Erfahrung. Ich würde es aber auch jederzeit wieder tun, wenn ich nicht mehr auf einen Rolli angewiesen bin. Ganz einfach, um die Welt aus ihrer Perspektive zu sehen und sie noch mehr zu verstehen und die Schwierigkeiten kennen zu lernen, mit denen sie Tag ein Tag aus zu kämpfen hat.
Auf dem Rückweg haben sich dafür zwei Frauen fast geprügelt wegen meiner, wer mir denn nun in den Bus hilft. War amüsant mitanzuhören, wie sie argumentiert haben. Haben richtig gedealt und sind dann darauf eingekommen, dass die eine, die vor mir aussteigt, mir beim Einstieg und die andere dann später beim Ausstieg hilft. Auf Dauer könnte ich mir so etwas sehr nervtötend vorstellen, weil man damit ja leben muss, aber für mcih war es ganz neues Terrain eben.
Joa beim Ausstieg war es dann auch so und der Busfahrer war so freundlich, den Bus NICHT abzusenken, aber was will man hier in Münster auch erwarten? Dazu wurde ich noch plitschnass.
Naja, summa summarum habe ich viele Blicke geerntet, von Leuten, die dachten, ich würde es nicht bemerken, irgendwelche Kommentare, leise Mitleidsbekundungen und Gemecker über den schlechten Service für Rollstuhlfahrer in Bussen, womit die aber partout nichts zu tun haben.

De facto freue ich mich derzeit einfach nur, wenn mein Fuß verheilt ist und ich wieder gehen darf.